Was ist Streckenflug?

Segelfliegen ist nicht darauf beschränkt, die durch den Start an der Winde oder im F-Schlepp erhaltene Höhe in der Nähe des Flugplatzes einfach abzugleiten. Viele Mitglieder unseres Vereins betreiben auch aktiv Streckensegelflug. Dabei versuchen sie, entweder am Tag eine möglichst große Strecke zurückzulegen oder eine gegebene Strecke in möglichst kurzer Zeit (d.h. mit möglichst hoher Durchschnittsgeschwindigkeit) abzufliegen. Dabei wird nach Thermik gesucht, in diesen Aufwinden Höhe gewonnen und mit der zur Verfügung stehenden Höhe dann die nächsten potentiellen Aufwindquellen angeflogen. 

Auf diese Weise sind in unseren Breiten, abhängig von der Wetterlage, dem Flugzeugtyp und den Fertigkeiten des Piloten, Streckenflüge von einigen hundert bis zu über 1.000 km möglich – und das alles ohne Motor, nur mit der Kraft der Natur. Ausgehend von Mannheim fliegen geübte Streckenflieger unseres Vereins bei gutem Wetter schon mal im Osten bis an die tschechische Grenze, im Süden um den Stuttgarter Luftraum via Schwäbische Alb und Schwarzwald, im Norden via Odenwald, Spessart und Rhön um den Frankfurter Luftraum oder nach Westen über den Pfälzer Wald bis nach Frankreich.

Flug von Mannheim Richtung Nordosten in den "gut entwickelten" Odenwald.
Perfektes Segelflugwetter über der Rheinebene.

Da die Thermikdauer an einem Tag begrenzt ist, können große Strecken nur mit ausreichend hoher Durchschnittsgeschwindigkeit zurückgelegt werden. Während des Kreisens in Aufwinden wird zum Beispiel keine Strecke zurückgelegt, daher muss diese Zeit möglichst kurz gehalten werden. Das wiederum gelingt, wenn möglichst starke Thermik gefunden wird (d.h. man schneller steigt und damit weniger Zeit beim Kreisen in einem Aufwind verbringt), wenn man zwischen den Aufwinden möglichst schnell, aber mit möglichst geringem Höhenverlust auf „tragenden Linien“ fliegt und wenn die Strecke auf möglichst direktem Weg (d.h. ohne größere Umwege) abgeflogen werden kann. Während des Fluges müssen ständig Entscheidungen getroffen werden: Verhält sich das Wetter so wie vorhergesagt? Wo könnte der nächste starke Aufwind gefunden werden? Wie komme ich am schnellsten zum nächsten Wendepunkt meiner Strecke? Schaffe ich es, die Strecke bis zum Abend abzufliegen und nach Mannheim zurückzukehren, oder muss vorzeitig der Heimflug angetreten oder woanders gelandet werden? 

Streckensegelflug ist ein Sport, bei dem nicht in erster Linie die körperliche, sondern die mentale Herausforderung im Mittelpunkt steht. Bei zentralen Wettbewerben können Pilotinnen und Piloten direkt gegeneinander antreten. Es gewinnt, wer die vorgegebene Strecke mit der höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit abgeflogen ist. Aber auch die Streckenflüge an jedem gewöhnlichen Flugtag in Mannheim können auf Online-Plattformen (z.B. WeGlide oder OLC) hochgeladen und damit dokumentiert und miteinander verglichen werden. Auf diese Weise findet in den Sommermonaten auch die Segelflug-Bundesliga statt, in der die Vereine in drei deutschlandweiten Ligen gegeneinander antreten und auf- oder absteigen können. Der Segelflugverein Mannheim fliegt aktuell in der 1. Segelflug-Bundesliga.

Blick nach Süden Richtung Schwarzwald.
Die Wasserkuppe in der Rhön ist auch bekannt als "der Berg der Flieger". Hier fanden einige der ersten Flugversuche statt.

Aufwindformen

Thermik

Die Thermik ist die bekannteste und am häufigsten genutzte Aufwindform beim Segelfliegen. Die Sonne heizt den Erdboden auf, welcher wiederum die bodennahen Luftschichten erwärmt. Dadurch bilden sich am Boden sog. Warmluftreservate. Kommt jetzt noch ein Auslöser hinzu, so löst sich die Warmluftblase vom Boden und steigt auf, da warme Luft leichter ist als kalte. Auslöser können z.B. einfach der Wind, ein vorbei fahrender Zug oder ein startendes Flugzeug sein. Die aufsteigende Luft kühlt sich mit zunehmender höhe langsam ab und wird solange weiter aufsteigen, wie sie wärmer ist als die Umgebungsluft. Ab einer gewissen Höhe setzt schließlich Kondensation ein und es bilden sich Cumulus Wolken (Schäfchenwolken). Die Quellwolken markieren uns Segelfliegern also die Thermik. Daher fliegen wir zu den „schönsten“ Wolken und suchen darunter den Aufwind, welcher auch „Bart“ genannt wird. Große Cumulus Wolken mit scharfen Konturen markieren für gewöhnlich starke Aufwinde. Auch an komplett wolkenlosen Tagen kann es Thermik geben, diese nennt man dann Blauthermik.

Bei uns kommt Thermik hauptsächlich von April bis September vor. Abhängig von der Wetterlage befindet sich die Obergrenze der Thermik in Höhen von ca. 600m bis 2500m über Grund.

Im Anflug auf die nächste Wolke.
Zu zweit in der Thermik kreisen macht Spaß und bietet einige Vorteile: Man kann sich gegenseitig unterstützen und einfacher die Thermik zentrieren.
Traumhafte Cumulus-Thermik über Heidelberg.
Ein Flug unter einer Wolkenstraße: mit Vollgas voraus.

Hangaufwind

Der Hangaufwind entsteht, wenn starker Wind im 90°-Winkel auf ein Gebirge trifft. Die Form des Reliefs zwingt die Luft an der Luvseite des Gebirges aufzusteigen und den Kamm zu überströmen. Dadurch entsteht ein Aufwind an der Luvseite des Hangs, welcher sich über die gesamte Länge des Gebirges erstreckt.

Hangaufwind findet man bei uns entlang der Bergstraße an der Odenwaldkante bei Westwindlagen. Meistens entsteht Hangaufwind im Herbst und Winter, da hier die Windgeschwindigkeiten höher sind als im Sommer. Im Hangaufwind können ohne zu Kreisen lange Strecken mit hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten zurückgelegt werden. Das bodennahe Fliegen in ca. 300m bis 600m über Grund ist anfangs gewöhnungsbedürftig, doch mit etwas Übung gelingt es schnell und macht riesigen Spaß.

Im Hangflug entlang der Bergstraße Richtung Norden. Hier südlich von Heidelberg in komfortabler Höhe von ca. 600m über Grund.
Dicht vorbei am Königstuhl.
Im Formationsflug am Hang.
Bei Hangflug-Wetterlagen sind einzelne Regenschauer keine Seltenheit. Doch Vorsicht: Schauer behindern die Sicht und können zu Vereisung führen.

Leewellen

Die Leewellen entstehen bei starkem Wind und stabiler Atmosphäre im Lee eines Gebirges. Genau wie beim Hangaufwind muss dazu starker Wind im 90°-Winkel zu einem Gebirge wehen. Durch vom Relief erzwungene Ablenkungen der Luft nach oben entsteht eine Wellenbewegung (stationäre Wellen) in der Atmosphäre auf der Leeseite des Gebirges. Für den Segelflug sind meistens die Primär- und die Sekundärwelle nutzbar, teilweise auch noch die Tertiärwelle.

Der Föhn im Alpenvorland ist eine typische Begleiterscheinung von Leewellen. Doch auch bei uns entstehen im Winter bei Westwindlagen Leewellen über der Rheinebene. Diese werden ausgelöst vom Pfälzer Wald und reichen bis in Höhen von mehreren tausend Metern. Im November 2015 erreichten Segelflieger in der Rheinebene Höhen von über 8000m in der Welle vom Pfälzer Wald. Seltener gibt es auch die sog. Ostwelle. Diese wird bei Ostwind vom Odenwald ausgelöst und befindet sich in der Nähe von Heidelberg.

Wellenflug ist mit Abstand das atemberaubendste Erlebnis, das man sich vorstellen kann. Man fliegt in großen Höhen in komplett ruhiger Luft (laminare Strömung) und genießt unvergleichliche Ausblicke. Wenn der Wind stark genug ist, kann man sogar rückwärts fliegen.

Ein Flug in 3000m in der Welle über der Pfalz.
Unsere DG 1000 hoch oben in der Welle bei einer Außentemperatur von -15°C.
Die Föhnlücke ist gut zu erkennen.
Hier sind Rotorwolken zu sehen, in deren sind Nähe starke Turbulenzen zu erwarten.

Bundesliga

Von April bis August findet jedes Wochenende eine Segelflug-Bundesliga Runde statt. Analog zu anderen Sportarten gibt es verschiedene Ligen, in denen die einzelnen Vereine gemäß ihrer Stärke vertreten sind. Der Segelflugverein Mannheim fliegt derzeit erfolgreich in der 1. Bundesliga. Es handelt sich hierbei im Gegensatz zu anderen Wettbewerben nicht um eine Einzel- sondern um eine Vereins- bzw. Mannschaftswertung, was die Bundesliga besonders spannend macht.

Es zählen pro Wochenende die 3 besten Flüge eines Vereins, wobei nur ein Flug pro Pilot/in zählt. Gewertet werden aus einem Flug die schnellsten 2,5 Stunden über max. 3 Wendepunkte. Dabei wird auch der Index (also die Leistung) des Flugzeuges berücksichtigt. Die einzelnen Runden werden mit der Formel 1 Wertung gewertet, sodass die Spannung bis zum Schluss aufrechterhalten bleibt.

Die Bundesliga Ergebnisse kannst du in WeGlide sowie im Online Contest (OLC) mitverfolgen.

Wettbewerbe

Mehrmals pro Jahr werden an unterschiedlichen Orten in Deutschland zentrale Segelflug-Wettbewerbe veranstaltet. Ein Wettbewerb erstreckt sich meistens über 7 bis 14 Wertungstage und es nehmen bis zu 100 Pilotinnen und Piloten mit ihren Flugzeugen daran teil. Darunter gibt es deutsche Meisterschaften, europäische Meisterschaften, Weltmeisterschaften sowie die dazugehörigen Qualifikationsmeisterschaften.

Die Segelflugzeuge sind der Fairness halber entsprechend ihrer Größe und Leistung in verschiedene Klassen eingeteilt. Es gibt die folgenden Klassen: Clubklasse, Standardklasse, 15m-Klasse, 18m-Klasse, 20m-Doppelsitzerklasse und die offene Klasse. In einem Wettbewerb sind pro Veranstaltungsort meistens 2 bis 3 Klassen vertreten.

Die Wettbewerbsleitung stellt jeden Tag für jede Klasse eine auf das Wetter zugeschnittene Aufgabe. Einfach gesagt, es wird eine Strecke über mehrere Wendepunkte vorgegeben, welche die Pilotinnen und Piloten dann abfliegen müssen. Wer dies in der kürzesten Zeit schafft, also die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht, gewinnt den Tag. Neben der Tageswertung gibt es auch eine ständig aktualisierte Gesamtwertung, welche am Ende des Wettbewerbs darüber entscheidet, wer diesen gewinnt. Geflogen wird immer, wenn es das Wetter zulässt. Gerade die Tage mit marginalem Wetter sind oftmals die Ausschlaggebenden. Ist das Wetter doch einmal zu schlecht zum Fliegen, so wird der Tag neutralisiert, d.h. nicht gewertet.

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