Terra Nova – Vom Schwarzwald ins Jura und die Vogesen

Nachdem ich im Fluglager in Aalen im letzten Jahr zum ersten Mal vom Schwarzwald aus ein kleines Stück ins Jura und zurückgeflogen war und mich die Landschaft dort so begeistert hatte, wollte ich schon länger auch von Mannheim aus einmal dorthin fliegen. Am besten deutlich weiter als dieses kurze Stück beim ersten Versuch.

Aber wie kombiniert man den Flug am besten mit einer DMSt Wertung? Ziel-Rück wäre eine Möglichkeit, da der Abflugpunkt, je nach Wetter, entweder in der Nähe von Mannheim oder z.B. kurz vor dem Einstieg in den Schwarzwald liegen kann. Allerdings verschenkt man durch die zwangsläufig nicht gerade Strecke einiges an gewerteten Kilometern und damit auch Punkten.

Alternativ könnte man versuchen ein FAI-Dreieck mit Wende im Südschwarzwald geschickt zu legen. Das gestaltete sich aber aufgrund der Geometrie schwierig und ist auch nicht optimal. Nach einigem rumprobieren bin ich dann auf die Lösung gekommen: ein FAI-Viereck. Abflugpunkt bei Mannheim, erste Wende im Südschwarzwald, zweite Wende im Südwesten im Jura, dritte Wende westlich Straßburg. Nachteil: Das Viereck lässt sich nicht so flexibel auf das Wetter anpassen, da die Geometrie sehr flach ist und es ewig gedauert hat ein sinnvolles und gültiges zu finden. Großer Vorteil: Man kann gleich noch die Vogesen als ein weiteres interessantes Fluggebiet abgrasen!

Als für Samstag, den 10.06.2023 gutes Wetter entlang dieser Route angesagt war, begann ich am Vortag mit den Vorbereitungen für einen solchen Flug. Ein Großteil der Arbeit war es, die Frankreich Karte in diesem Bereich zu verstehen und mögliche Flugwege zu bestimmen. Frankreich ist dort überzogen mit einer Unmenge von Sperrgebieten, welche aus der Karte allein kaum fehlerfrei interpretiert werden können. Glücklicherweise sind die meisten davon am Wochenende nur in Ausnahmefällen aktiv und können durchflogen werden. Zusätzlich gibt es für die Länder verschiedene Regularien, die erfüllt werden müssen (Streckenflugausweis für die Schweiz und Flugplan zum Grenzübertritt von der Schweiz nach Frankreich).

Leider hat es am 10.06. dann nicht geklappt. Ich konnte erst recht spät starten und der Einstieg von Norden in den Schwarzwald hat mich zu viel Zeit gekostet, zudem war der Südschwarzwald breitgelaufen. Daher habe ich das Vorhaben an diesem Tag abgebrochen. Umsonst war es trotzdem nicht, da ich nun ja gut vorbereitet war und auch zusätzlich die erste Erfahrung mit einem Flugplan beim Segelflug sammeln konnte…

Die nächste Chance sollte auch nicht lange auf sich warten lassen.

Für den darauf folgenden Samstag, den 17.06.2023 war bombastisches Wetter in ganz Süddeutschland angesagt. Super Steigwerte und Wolkenbasis im Bergland nahe der 3.000m. Auch Jura und Vogesen waren ähnlich gut vorhergesagt. Lediglich gegen Abend sollte von Westen hohe Bewölkung aufziehen und die Thermik stören.

Ich habe am Vorabend lange überlegt, was ich für den Tag planen soll. Entweder ein großes Dreieck entlang der ausgetretenen Pfade mit der Chance die persönliche Bestmarke zu knacken oder der Flug über Jura und Vogesen und damit mal etwas völlig Neues? Hohe Basishöhe, Wolkenthermik, gute Steigwerte, Wochenende (die meisten Sperrgebiete in Frankreich inaktiv). Besser wird es wohl nicht mehr werden. Also entschied ich mich erneut die Runde durch Schweiz und Frankreich zu versuchen.

Am Samstagmorgen habe ich noch einmal das Wetter und den Status der Sperrgebiete gecheckt: Sah nach wie vor gut aus. Zwar sollte das Wetter in der Rheinebene deutlich später losgehen als im Schwarzwald, aber ich wollte gerne versuchen den Schwarzwald thermisch zu erreichen und habe daher das vorbereitete Viereck angemeldet. Anschließend habe ich dann einen Flugplan aufgegeben und bin zum Platz gefahren.

Für 10:00 Uhr hatten sich Kaufinteressenten für unsere Schleppmaschine angekündigt. Um diese nicht allzu lange warten zu lassen, sollten die F-Schlepps an diesem Morgen nach Möglichkeit vor 10:00 Uhr stattfinden. Entsprechend früh waren die am F-Schlepp interessierten Piloten am Platz und auch die Flugzeuge waren ungewöhnlich früh abflugbereit. Jetzt musste sich nur noch das Wetter rechtzeitig genug entwickeln.

Kurz vor 10:00 Uhr sah es aber noch nicht danach aus, als könne man sich bereits thermisch in der Luft halten. Ein Blick in den Glider-Tracker bestätigte das: keine Segelflugzeuge in der Rheinebene. Glücklicherweise aber auch noch keine potenziellen TSF-Käufer am Platz. Also hatten wir noch etwas Zeit.

Über dem Odenwald waren zwar die ersten Wolken zu sehen, allerdings war der Bereich um den Abflugpunkt und Richtung Schwarzwald nach wie vor wolkenlos. In der Hoffnung, dass sich das zeitnah ändern würde und um die Nerven der TSF-Verkaufs-Crew zu schonen, entschloss ich mich gegen 10:20 Uhr zu starten. Mit warmlaufen des Motorseglers und kurzer Wartezeit, bevor ein Aufbau des F-Schlepps auf der Asphaltbahn möglich war (danke übrigens an dieser Stelle, dass der City-Airport uns das ermöglicht) ging es dann schließlich um 10:28 Uhr in die Luft.

Der Schlepp war super. Super ruhig. Super gleichmäßig. Keine Anzeichen von Thermik… Mist…

Gen Süden entlang der Route waren immer noch keine Wolken zu sehen und in Anbetracht der toten Luft auch keine Blauthermik zu erwarten. Kurz hatte ich überlegt, den Plan noch einmal zu ändern und mich doch schon Richtung Schwarzwald schleppen zu lassen. Doch da es noch recht früh war, habe ich mich dafür entschieden an der angemeldeten Aufgabe festzuhalten und zu versuchen, es thermisch in den Schwarzwald zu schaffen. Um zu Beginn etwas mehr Spielraum zu haben, ließ ich mich auf etwas über 1.600 m schleppen und habe am Autobahn-Kreuz Heidelberg – meinem Abflugpunkt – ausgeklinkt und bin erstmal nach Nord-Ost in den Odenwald geflogen. Unter den ersten Wolken angekommen, habe ich erfreut festgestellt, dass sie auch tatsächlich zogen. Die Basis lag hier bereits bei ca. 2.000 m. Während ich auf Nord-Ost Kurs ein paar Wolken ausprobiert hatte, zeigten sich langsam die ersten Flusen auch etwas weiter südlich im Kraichgau. Nach und nach sah es so aus, als könne man sich daran vorsichtig Richtung Schwarzwald hangeln. Ich beschloss, es zu versuchen und flog Richtung Sinsheim ab. Unterwegs hat der Blick nach Westen gezeigt, dass die Entscheidung, gleich nach dem Ausklinken einen richtigen Abflug zu machen wohl richtig war, da ein weiterer Schlenker zum Autobahnkreuz wieder recht viel Zeit in Anspruch genommen hätte und die Rheinebene nach wie vor nicht thermisch aktiv aussah. Unter den, sich rasch bildenden aber auch ebenso schnell zerfallenden Flusen, ging es etwas gemächlich aber beständig voran gen Süden.

Wie schon in der Woche zuvor gestaltete sich der Einstieg in den Schwarzwald nicht ganz einfach. Etwas einfacher wäre es wohl gewesen, wenn der Stuttgarter Luftraum im Bereich südöstlich von Pforzheim befliegbar gewesen wäre. Die Anfrage wurde wegen zu viel Verkehr aber leider abgelehnt.

Nach einem kleinen Schlenker gelang es dann aber auch weiter westlich und ich wurde im Schwarzwald mit guten Steigwerten und einer Wolkenbasis in sagenhaften 3.000 m Höhe belohnt. Und das um 12:45 Uhr. Es schien echt ein guter Tag zu werden.

Der weitere Flug über den Schwarzwald zur ersten Wende am Schluchsee verlief problemlos und auch schön schnell. Mehrmals musste ich steigen wegdrücken, um nicht in den Luftraum C über FL100 einzufliegen. Solche Probleme hat man gerne 😉

Querab von Donaueschingen habe ich in die ATIS von Basel reingehört und freudig vernommen, dass in Basel Landerichtung 15 in Betrieb ist. Das ist eine gute Nachricht, da der östliche Teil des Jura unter dem Luftraumdeckel von Basel liegt. Man kann eine Freigabe zum Durchflug durch diese „Tango-Sektoren“ bekommen, die maximal erlaubte Flughöhe variiert aber, abhängig von der Landerichtung in Basel. Ist dort die Piste 15 in Betrieb, kann man auf eine höhere Freigabe hoffen als bei Piste 33.

Kurz nach Erreichen der Wende am Schluchsee stand dann der Sprung vom Schwarzwald ins Jura an. Hierfür muss ein Teil des Züricher Luftraumes unterflogen werden. Dieser beginnt in 2.000 m. Aufgrund der hohen Wolkenbasis habe ich bei Zürich angefragt, ob alternativ auch ein zügiger Durchflug durch diesen Luftraum möglich wäre. Leider wurde das abgelehnt und so musste ich die überschüssige Höhe in Geschwindigkeit tauschen. Etwas ineffizient aber umso spaßiger.

Blick auf die Stadt Basel mit dem Flughafen im Hintergrund bei der Querung vom Schwarzwald ins Jura

Die Optik Richtung Jura war super und auch, im sonst eher toten Stück zwischen Schwarzwald und Jura, war gutes Steigen zu finden. Bei meiner Anfrage zum Durchflug des Baseler Luftraumes musste ich allerdings erfahren, dass in Basel nun Landerichtung 33 in Betrieb ist. Der Durchflug wurde zwar genehmigt, aber nur in einer Höhe von maximal 6.000 ft (~1.850 m). Die Erhebungen des Jura reichen in diesem Bereich bis in Höhen von 1.100 m bis 1.200 m. Es bleibt daher nicht allzu viel Spielraum. Wegen der sehr hohen Wolkenbasis und nachdem ich mich über dem Schwarzwald lange in etwa 2.000 m AGL befunden hatte, erschienen mir die 20 Minuten Flug in diesem Höhenband besonders niedrig. Nach kurzer Zeit konnte man aber auch diesem Umstand etwas Schönes abgewinnen: Die Hügelketten des Jura sahen aus dieser Höhe noch spektakulärer aus und da man dennoch zuverlässig gute Thermik finden konnte, hat es riesig Spaß gemacht, durch diese schöne und wilde Landschaft zu fliegen.

Direkt nach Passieren der Baseler Luftraumgrenze ging es, querab des Flugplatzes Grenchen mit einem 3 m/s Aufwind wieder zurück auf 2.800 m „Wohlfühl-Höhe“, dann weiter entlang der Verwerfungen nach Südwesten.

Querab des Ostufers des Bieler Sees passierte ich dann die Grenze zu meiner persönlichen Terra Nova. In den nun folgenden Gebieten war ich zuvor noch nie geflogen.

Die weitere Strecke führte vorbei am Chasseral, Neuenburger See und der doch sehr rechtwinkligen Stadt La Chaux-de-Fonds zur zweiten Wende ein paar km westlich des Flugplatzes Motiers.

Kurz vor Erreichen der Wende um 15:00 Uhr konnte ich in 40 km Entfernung bereits das Ufer des Genfer Sees erkennen. Die Versuchung war groß, noch ein Stückchen weiter in Richtung Montricher zu fliegen, um einen schönen Blick auf den See und den Ort Lausanne zu erhaschen. Als allerspäteste Zeit an der zweiten Wende hatte ich mir 16:00 Uhr fest vorgenommen. Es war also noch etwas Zeit. Allerdings fiel die Wolkenbasis in diese Richtung etwas ab, die Wolken sahen auch etwas zerfranster aus und die angedrohte, aus Westen aufziehende hohe Bewölkung hatte mich auch bereits erreicht. Daher beschloss ich, mein Glück nicht zu sehr herauszufordern und an der ausgeschriebenen Aufgabe festzuhalten. So flog ich, nach Passieren der Wende, brav in Richtung Norden ab. Weg vom Jura, hinein nach Frankreich in Richtung Montbeliard und Vogesen.

Blick von der zweiten Wende nach Südwesten. In der Ferne lässt sich der Genfer See erahnen.

Nach kurzer Zeit entlang der Strecke, muss auch hier wieder der Luftraum von Basel durch- bzw. unterflogen werden. Der Durchflug wurde problemlos und ohne Einschränkungen sofort gewährt. Die Damen und Herren der französischen Flugsicherung waren sehr freundlich und haben sich auch an sämtlichen, von mir fürchterlich falsch ausgesprochenen Namen von Orten und Flugplätzen nicht gestört. Vielen Dank dafür!

PSA Teststrecke Belchamp und Flugplatz Montbeliard Courcelles

Die ersten, ca. 70 km in Frankreich bin ich recht vorsichtig geflogen. Da unter der jetzt immer dichteren Abschirmung deutlich weniger und schwächer entwickelte Wolken standen als zuvor, wollte ich hier nur ungern tief kommen. (Wobei „Tief“ bei diesen Basishöhen ja relativ ist…). Es ging aber dennoch gut und die Vogesen in der Ferne sahen sehr verheißungsvoll und thermisch voll entwickelt aus.

Dort angekommen, wurde ich direkt wieder mit ~3 m/s auf 2.900 m gebeamt und es ging weiter, unter teils aufgereihten Wolken, über die nächste wunderschöne, mir bis dato unbekannte Landschaft.

Auch die Freigabe durch den Straßburger Luftraum wurde prompt erteilt und langsam zeigte der Rechner an, dass zum Schließen der Aufgabe nur noch ein paar hundert Höhenmeter fehlen würden.

Doch das verbleibende Stück wurde dann noch einmal spannender als es notwendig gewesen wäre: Nachdem ich ein paar km dicht unter einer Wolkenreihung entlang geflogen war, erreichte ich deren Ende und fand einen Cumulus-freien, dafür aber dick abgeschirmten Himmel vor. Obwohl die Abschirmung schon lange da war und auch damit zu rechnen war, dass sie für ein frühes Ende der Thermik sorgen könnte, hat mich dieser abrupte Übergang doch sehr überrascht. In der Ferne waren in Richtung Pfälzerwald allerdings wieder Wolken zu erkennen und auch rechts neben mir, etwas ab vom Kurs, standen noch ein paar. Unter diesen Wolken habe ich auch noch Thermik gefunden. Diese war zwar zum Ende hin recht schwach, aber ich befürchtete wegen der Abschirmung später keine Thermik mehr zu finden, wenn ich nach der langen Gleitstrecke, die nun kommen sollte, zu tief in der Pfalz ankommen würde. Deshalb stieg ich so hoch es eben ging. Zum Glück noch einmal auf fast 3.000 m. Von dort flog ich dann in Richtung der dritten Wende ca. 8 km östlich des Flugplatzes Phalsbourg. Die Luft war komplett tot, aber immerhin war ich fast im Gleitbereich auf Mannheim. Ich musste in der Pfalz nur noch einmal Anschluss finden, einen halbwegs guten Bart kurbeln und die Sache wäre geritzt. Nach ca. 50 km Gleitstrecke, nur unterbrochen von dem Versuch einen besseren Nullschieber zu zentrieren, fand ich dann kurz vor der deutschen Grenze den erhofften Aufwind. Dieser war mit 1,5 m/s zwar auch nicht besonders stark, brachte mich aber wieder zurück auf 2.500 m Höhe und somit in den sicheren Endanflug für den Zielpunkt der Aufgabe am Autobahnkreuz Heidelberg. Während des Kreisens betrachtete ich die Richtung, aus der ich gekommen war. Alles grau in grau. Wäre ich ein bisschen später dran gewesen, hätte ich es wahrscheinlich nicht mehr aus den Vogesen in die Pfalz geschafft. Da hat es sich schlussendlich doch gelohnt bei Motiers direkt zu wenden und nicht noch weiter Richtung Genfer See zu verlängern.

Satellitenbild kurz vor Erreichen der dritten Wende
Blick zurück: Wohl gerade noch rechtzeitig angekommen

Nachdem die Aufgabe geschlossen war, flog ich noch einmal über den Odenwald und dann zurück nach Mannheim. Dort landete ich nach knapp 8.5 Stunden Flug und mit 780 km auf dem Zähler.

Obwohl ich mit diesem Flug wahrscheinlich nicht die maximalen Kilometer aus dem Tag herausgeholt habe, freue ich mich umso mehr mal wieder etwas Neues und Außergewöhnliches erlebt zu haben. Insbesondere das Jura ist meiner Meinung nach eine Reise wert, da es sich so stark von unseren Mittelgebirgen unterschiedet und aus der Luft einfach nur spektakulär aussieht.

Ich bin diese Route sicherlich nicht zum letzten Mal geflogen!

Link zum Flug: https://www.weglide.org/flight/288240

Text & Fotos: Stefan Kleiber

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